Interview: Junge Frauen machen Filme

Girls Go Movie
Medienwelten

Mehr Mädchen in die Medienbranche! Noch immer werden viele Filme von Männern gemacht. Sie erzählen Geschichten aus der männlichen Perspektive, übernehmen die Technik und die Regie.

Das Projekt GIRLS GO MOVIE in Mannheim will Mädchen und Frauen von 12 - 27 Jahren an technische Medienberufe heranführen und sie ihre eigenen Geschichten erzählen lassen. Gemeinsam mit Mentorinnen erschaffen die Teilnehmerinnen eigene Kurzfilme, die bei dem abschließenden Festival präsentiert werden.

Wir haben mit Ruth Hutter, der künstlerischen Leitung bei GIRLS GO MOVIE, über die Rolle von Ideen geredet, Tipps für die Umsetzung von Filmprojekten gesammelt und herausgefunden, was ein Kuchen voller Maden mit Selbstliebe zu tun hat.

GAmM: Ich will einen Film machen. Was ist wichtig für den Anfang?

Hutter: Die Idee ist wichtig. Das ist der Ausgangspunkt, von da starten wir. Diese Idee muss nicht komplett ausgereift sein. Wichtig ist auch die Motivation dafür, diese Idee umzusetzen. Es reicht nicht zu sagen: Wir wollen mal einen Film machen. Man braucht eine Anfangsidee.

Wie kann man Mädchen und junge Frauen bei der Umsetzung begleiten?

Früher haben wir Workshops gegeben, zum Beispiel für Schnitt und Produktion. Die wurden aber immer weniger wahrgenommen. Deshalb haben wir irgendwann damit aufgehört und auf individuelle Unterstützung gesetzt. Das ist auch verbindlicher. Ein Tutorial auf YouTube motiviert dich nicht so sehr, deine Ideen wirklich umzusetzen. Dafür sind unsere Mentorinnen da: Sie stellen eine Verbindlichkeit her, motivieren zum Durchhalten und bringen die Teilnehmerinnen dazu, den Film wirklich fertig zu machen. Das funktioniert genial bei uns.

Was lernen die Teilnehmerinnen beim Drehen eines Filmes?

Wie arbeite ich in einer Gruppe, wie arrangiere ich mich, wie verteile ich die Rollen? Ich muss im Team arbeiten. Muss zuhören und meine Meinung sagen lernen. Am Ende des Projekts steht das Festival, bei dem die Filme gezeigt werden und es Filmtalks gibt. Hier haben die Filmemacherinnen die Möglichkeit, in sehr professionellem Rahmen über ihre Produktionen zu sprechen. Das macht was mit ihnen. Viele sind ganz aufgeregt und merken dann: Hey, ich weiß ja alles, ich habe meinen Film ja selbst gemacht, deswegen ist das ja gar kein Problem. Wir geben den Rahmen, um ungezwungen über diese Dinge zu sprechen. Diese Herausforderung schult sie.

Warum ist ein Projekt, das Mädchen und junge Frauen bei ihrer Filmumsetzung unterstützt, wichtig?

Wir hören immer wieder: Die jungen Frauen fühlen sich bei euch wie in einem geschützten Raum. Mädchen und Frauen haben zum Teil eine andere Selbstverständlichkeit miteinander. Wenn sie ihren eigenen Film drehen, können sie nichts abgegeben an die Männer. Wenn es nicht klappt, bekommen sie Hilfe von Frauen. Ihr technisches Selbstvertrauen Technik wird gestärkt. Sie lernen: Hey, das ist voll easy mit einem Schnittprogramm zu arbeiten. Sie lernen alle so schnell und werden angehalten, ihre Ideen selbst in die Tat umzusetzen.

Welche Geschichten erzählen die Teilnehmerinnen in ihren Filmen?

Jedes Jahr sehen die Mädchen und Frauen die Filme anderer Teilnehmerinnen beim GIRLS GO MOVIE Festival. Dadurch bekommen sie immer mehr Vertrauen in die eigenen Geschichten. Diese sind ganz oft persönlich, sie reagieren auf die Gesellschaft oder entdecken das menschliche Sein an sich philosophisch. Oft werden Gedichte genutzt und eine Selbstreflexion betrieben, die manchmal gnadenlos ist. Wenn von Gewalt erzählt wird, ist es eher autoaggressive Gewalt. Essstörungen, Druck in der Schule, Anderssein oder Transgender sind ebenso spannende Themen für die jungen Frauen. Themen, die sich um die Fragen: „Wer bin ich, wo komm ich her und wo gehe ich eigentlich hin und muss ich das alles überhaupt so mitmachen, was die Gesellschaft mir vorgibt?“ drehen.

Die Umsetzung ist ganz unterschiedlich. Ein Film hat mich dieses Jahr begeistert. Er erzählt von der Liebe. Eine Frau bekommt darin von einem jungen Mann immer wieder einen Kuchen mit Maden, den sie auch jedes Mal wieder isst. Und man fragt sich: Warum isst sie den schon wieder?! Und erst zum Schluss versteht man, dass es eigentlich um Selbstliebe geht. Dass man immer wieder das Gleiche macht im Leben und dabei wieder in die Scheiße packt. Und dass man auf sich aufpassen musst. Da dachte ich mir: Zu was diese jungen Frauen fähig sind. Und dass sie dafür so tolle bewegte Bilder dafür finden.

Weitere Informationen

  • Welche Rollen- und Geschlechterbilder verbreiten Influencer*innen auf Instagram? Das erläutert Dr. Martina Schuegraf auf der Tagung „Medien, Macht und Gender“ des JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis.
  • Ihr seid jung, habt einen eigenen Film gedreht und möchtet diesen gerne vor großem Publikum präsentieren? Dann reicht ihn ein beim Deutschen Jugendfilmpreis - dem bundesweiten Wettbewerb für junge Filmemacher*innen.
  • Das Projekt Act On! vom JFF - Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis ist ein medienpädagogisches Forschungs- und Praxisprojekt und untersucht das Online-Handeln von Kindern und Jugendlichen im Alter von 10 bis 14 Jahren. Dabei kommen auch Kinder und Jugendliche in selbst produzierten Videos zu Wort.

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