studiVZ, Facebook, MySpace: Erste Studie zu Social Networking Sites in österreich

An der von der eTheory Forschungsgruppe (Universität Salzburg, ICT&S Center) durchgeführten Studie

nahmen 674 Studierende aus Salzburg teil. 88.3% der Befragten nutzen die Plattform

studiVZ, 39.5% Facebook, 15.9% MySpace, 9.0% Xing, 7.4% Lokalisten. 61 weitere Social Networking Sites

(SNS) werden von jeweils weniger als 1% genutzt. Studienleiter Privatdozent Dr. Christian

Fuchs meint dazu: Es gibt Anzeichen für eine starke medienökonomische Konzentration im

Bereich der SNS. Einerseits hinsichtlich der Nutzung, dadurch aber andererseits auch in

Bezug auf die Gewinne durch Werbeeinnahmen".



Als größten Vorteil von SNS nennen 59.1% die Aufrechterhaltung von Kontakten über das

Internet, als größten Nachteil 55.7% die Gefahr der ökonomischen und politischen

überwachung. Fuchs: Studierende sind sich sehr bewusst über die massive Sammlung

persönlicher Daten auf diesen Plattformen, nutzen diese aber, da die erwarteten

kommunikativen Vorteile für die meisten im Vordergrund stehen. Dies bedeutet nicht einen

unvorsichtigen Umgang, sondern deutet auf einen strukturellen Mangel an alternativen

Plattformen hin. Nichtkommerzielle, nichtgewinnorientierte Plattformen brauchen die Daten

der NutzerInnen nicht für personalisierte Werbung auszuwerten, dadurch sinkt die

Wahrscheinlichkeit der überwachung und des Datenmissbrauches. Solche Plattformen gibt es

derzeit aber kaum bzw. sind sie völlig unbekannt, daher sind junge Menschen als

Hauptnutzergruppe von Social Networking Sites auf die Verwendung von kommerziellen

Internetdiensten angewiesen, die Daten sammeln, auswerten und dadurch in der Form von

personalisierter Werbung Gewinne erzielen".



81.8% der Befragten haben nur wenig Wissen über konkrete Entwicklungen im Bereich der

Datenüberwachung in Europa (Z.B. Vorratsdatenspeicherung, Sicherheitspolizeigesetz).

67.4% sehen jedoch das Thema überwachung kritisch oder sehr kritisch. 88.7% der studiVZ

NutzerInnen haben gutes oder sehr gutes Wissen darüber, was mit ihren Daten auf der

Plattform geschieht. Bei MySpace sind dies nur 49.5% und bei Facebook 34.1%.

Durchschnittlich 67.4% der studiVZ Nutzer haben die Werbeoptionen deaktiviert, auf

Facebook sind dies 35.9% und bei MySpace 22.6%. Fuchs: Studierende sind generell

kritisch gegenüber überwachung, haben aber wenig konkretes Wissen über geltende

politische Rahmenbedingungen. Das eher hohe Wissen über studiVZ und das eher kritische

Informationsverhalten auf dieser Plattform im Gegensatz zu Facebook und MySpace kann

damit erklärt werden, dass die änderung der Nutzungsbedingungen von studiVZ Anfang

2008, die personalisierte Werbung ermöglichte, von einer Informationskampagne unter

Studierenden auf der Plattform begleitet wurde und zu öffentlichen Diskussionen geführt hat,

in denen studiVZ als das ‚SchnüffelVZ' präsentiert wurde. Diese Kampagne kann als eine

Form der fragmentierten öffentlichkeit interpretiert werden und war daher nur beschränkt

erfolgreich. Trotzdem hat sie offenbar dazu geführt, dass sich die meisten Studierenden genau

über die neuen Nutzungsbedingungen informiert haben und die Standardwerbeoptionen auf

studiVZ deaktiviert haben, was bei anderen Plattformen nicht der Fall war".



Die Studie empfiehlt, dass BürgerInnen kommerziellen Internetplattformen, die auf der

Speicherung persönlicher Daten basieren, grundsätzlich kritisch gegenübertreten und dass

durch den Aufbau spezieller Konsumentenschutzwebseiten öffentlich dokumentiert wird,

welche Rechte im Umgang mit Daten sich derartige Plattformen durch ihre

Nutzungsbedingungen einräumen. Christian Fuchs: Es gibt viele Beispiele dafür wie mit

Hilfe von Webseiten von Betroffenen versucht wird, überwacher zu überwachen. Dies kann

einen gewissen Schutz durch öffentliche Information bieten, hat aber auch Limitierungen,

denn das Grundproblem ist, dass wir in einer Zeit leben, in der es einerseits große

kommerzielle Interessen an Datensammlung und Datenauswertung gibt und andererseits nach

9/11 stetig immer mehr politische Schritte zur Schaffung eines gläsernen Menschen gesetzt

wurden. Das sind politisch-ökonomische Probleme, keine technischen".



Die Erkenntnisse aus der vorliegenden Studie werden in das gerade anlaufende europaweite

Forschungsprojekt Living in Surveillance Societies" der European Science Foundation

eingehen, in dem Christian Fuchs mit dem Team der eTheory Forschungsgruppe für

österreich vertreten ist.

 

Kontakt:

Priv.Doz. Dr. Christian Fuchs

Universität Salzburg

ICT&S Center

Sigmund Haffner Gasse 18

5020 Salzburg

christian.fuchs@sbg.ac.at

+43 662 8044 4823

Die Studie wird unter der Creative Commons License zum Download in englischer Sprache zur Verfügung gestellt.


Priv.Doz. Dr. Christian Fuchs, Universität Salzburg

Quelle: Pressemitteilung