Wie Jugendliche mit zwischenmenschlichen Konflikten in Online-Communitys wie Facebook umgehen, zeigt die neue, durch das JFF - Institut für Medienpädagogik durchgeführte Studie "Wo der Spaß aufhört ... Jugendliche und ihre Perspektive auf Konflikte in Sozialen Netzwerkdiensten". Im Auftrag der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien befragte das JFF Jugendliche selbst und gelangte zu interessanten Ergebnissen.
Jugendliche haben einen sehr differenzierten Blick auf Online-Konflikte. Die Bandbreite von Konflikten ist aus ihrer Sicht viel größer als Formen des Cybermobbings. Sie unterscheiden zwischen "Spaß-Streits", Meinungsverschiedenheiten, Streitereien und Mobbing. Dahinter liegt ein komplexes System aus Regeln, wie man bei welchem Konflikt reagieren kann. Wer diese Konfliktformen und Regeln nicht kennt, kann auch keine Hilfe geben. Für die meisten Erwachsenen trifft dies aus Sicht der Jugendlichen zu. Aber auch Jugendliche sind immer wieder überfordert.
Konflikte entstehen vor allem mit den "Freundesfreunden"
Konflikte in Sozialen Netzwerkdiensten werden meist für andere sichtbar. Alle "Freunde" auf der Plattform können mitlesen. Am häufigsten erleben die Befragten der Studie Konflikte dabei mit den Freunden von Freunden. Mit diesen "Freundesfreunden" würden die Jugendlichen offline - also im direkten Austausch - nicht unbedingt kommunizieren. In Online-Communitys ist dies aber durchaus üblich. Gerade mit den Freundesfreunden entsteht zum Beispiel aus einem "Spaß-Streit" besonders schnell ein echter Konflikt, da man sich nicht so gut kennt. Missverständnisse sind eine häufige Ursache für Konflikte in Online-Communitys.
Jugendliche sehen sich und andere nicht als Opfer und Täter
Jugendliche akzeptieren Zuschreibungen wie "Täter" und "Opfer" nur in stark eskalierten Konflikten. Dagegen formulieren sie den Anspruch an sich und andere, Konflikte selbstbestimmt zu lösen. Deshalb wirkt es von außen betrachtet teilweise so, als ob Jugendliche miterlebte Konflikte zwischen anderen Personen ignorieren. Aus ihrer Sicht respektieren sie dagegen die Souveränität der Konfliktparteien. Darin ist durchaus eine Orientierung an gesellschaftlichen Werten wie Selbständigkeit und Durchsetzungsfähigkeit zu erkennen. Doch mitunter sind Jugendliche damit auch überfordert. Und auch den Jugendlichen fällt schwer, Konfliktsituationen einzuschätzen und damit auch zu erkennen, wann es notwendig wäre einzuschreiten. Selbst in einen Konflikt verwickelt, erscheint ihnen mitunter das "Ignorieren einer Beleidigung" als einziger Weg. Dies kann ein "Aushalten der Anfeindung" aber auch ein souveränes "über der Anfeindung stehen" bedeuten. Von außen ist das nicht eindeutig zu bewerten.
Unterstützung suchen und erhalten die Jugendlichen unter sich
Konflikte in Online-Communitys können Jugendliche vor Probleme stellen, mit denen sie nur schwer zurechtkommen. Insbesondere wenn sie auf sich alleine gestellt sind. Dass sich Freunde gegenseitig helfen, wenn sie gefragt werden, ist gängige Alltagspraxis. Erwachsene werden dagegen nur dann hinzugezogen, wenn die Jugendlichen ihnen vertrauen und wenn sie glauben, dass die Erwachsenen die komplexen Mechanismen und Regeln von Online-Konflikten ebenfalls verstehen. Informationsseiten im Internet stehen die Befragten insgesamt skeptisch gegenüber. Die Meldefunktion von Online-Plattformen erscheint für sie nur relevant, wenn sie Spam oder anderweitig Unerwünschtes von Fremden erhalten.
Die Studie formuliert auf den Ergebnissen aufbauend Leitlinien für die pädagogische Arbeit mit Jugendlichen:
- Wo der Spaß aufhört, erschließt sich erst dann, wenn man einen differenzierten Blick auf die verschiedenartigen Konfliktformen wirft. Nur wer die Perspektive der Jugendlichen aufgreift, kann beurteilen, wo Jugendliche Unterstützung benötigen. Unverzichtbar ist, die unterschiedlichen Konfliktformen in ihrer Bandbreite mit Jugendlichen zu thematisieren und mit ihnen gemeinsam Handlungsmöglichkeiten zu diskutieren.
- Wo der Spaß aufhört, liegt nicht allein im Ermessen der Streitenden. Auch gesellschaftlich geprägte Werteorientierungen spielen eine entscheidende Rolle im Aushandeln von Online-Konflikten. Das Spannungsverhältnis zwischen Erfahrungen aus der eigenen Lebenswelt und gesellschaftlich akzeptierten Normen und Werten (z. B. Selbstbestimmung und solidarisches Helfen) muss in der pädagogischen Praxis gemeinsam mit den Jugendlichen aufgegriffen werden.
- Wo der Spaß aufhört, gibt es Klärungsbedarf. Nicht Konflikte an sich, sondern eskalierendes Konflikthandeln sollten in der pädagogischen Arbeit abgelehnt werden. In der Arbeit mit Jugendlichen gilt es, konstruktive Wege zum Handeln in Online-Konflikten zu erarbeiten und zu diskutieren. Zudem gilt zu klären, wie und wann andere in Online-Konflikten unterstützt werden können und sollten.
Die Kurzfassung der Studie steht hier zum Download zur Verfügung.