Beteiligung und die Rechte junger Menschen im Fokus des Internet Governance Forum 2019

Ansicht: Einladung zum Internet Governance Forum 2019

Eine Woche internationaler fachlicher Austausch auf höchster Ebene zu Fragen der Internet Governance ist am Freitagabend mit der Closing Ceremony zu Ende gegangen. Die Themen Kinderschutz und Kinderrechte wurden dabei so umfassend verhandelt wie bei keiner der vorhergehenden Auflagen des IGF.

 

High Level Panels und General Comment

 

Den Auftakt machten die Diskussionsrunden des von der deutschen Bundesregierung organisierten High Level Internet Governance Exchange am Vormittag des 25. November. Nach einer Rede von Wirtschaftsminister Altmaier wurden in neun Panels mit hochrangiger Beteiligung von Regierungs- und Wirtschaftsvertretern sowie der Zivilgesellschaft und der Technical Community die drei thematischen Tracks des IGF 2019 „Data Governance“, „Digital Inclusion“ und „Security, Safety, Stability & Resilience“ behandelt, um erste Impulse für das Programm der vier folgenden Tage zu entwickeln. Dabei wurde im Panel „Safety and the Right to Protection“ der Anspruch von Kindern und Jugendlichen auf einen sicheren Erfahrungsraum als eine auf die UN-Kinderrechtskonvention gestützte Forderung erhoben. Vertieft wurde die Bedeutung der Kinderrechtskonvention für ein gutes Aufwachsen mit Medien am Nachmittag in dem von der britischen 5Rights Foundation organisierten Workshop „Children’s Rights - a Case for Internet Governance“ (Pre-Event 18). Rund einhundert Teilnehmende informierten sich über den Stand der Arbeiten an einer Allgemeinen Bemerkung (General Comment) zur UN-KRK mit einem Fokus auf Kinderrechten im digitalen Umfeld und bekräftigten die Notwendigkeit, Kinderrechte im Lichte der digitalen Transformation der Gesellschaft neu zu verstehen sowie das Potenzial der Digitalisierung für die Verwirklichung der Kinderrechte zu nutzen.

 

Dynamic Coalition und DHKW

 

Am Dienstag, dem ersten offiziellen Tag des Internet Governance Forums, stand bereits morgens der Workshop der Dynamic Coalition on Child Online Safety (DC COS) auf dem Programm. Diskutiert wurde die Verwirklichung des Kinderrechts auf Spiel, Freizeit und kulturelle Teilhabe gemäß Art. 31 UN-KRK. Zunächst wurden die verschiedenen Geschäftsmodelle von Onlinespielen und die teilweise aggressiven Vermarktungsstrategien der Anbieter vorgestellt sowie die sich daraus für Kinder ergebenden Risiken der kommerziellen Ausbeutung und exzessiven Nutzung erörtert. Gefährdungspotenziale liegen darüber hinaus vor allem in der Kommunikation und Interaktion, die parallel zu den Spielaktivitäten geführt werden. Die Alterseinstufung von Spielen und Apps basiert in der Regel auf ihrem Inhalt, wodurch weder das Risiko unangemessener Kontakte noch das Risiko von In-App-Käufen oder Beuteboxen erkennbar wird. Selbstregulierung als Instrument eines wirksamen Jugendschutzes wird heute weithin als gescheitert erachtet, gerade auch in Bezug auf Spiele. Daher seien effektive Regulierungsmaßnahmen erforderlich, so die überwiegende Meinung. Die Online-Spiele-Industrie müsse in Bezug auf ihre Kommerzialisierungsstrategien sowie im Hinblick darauf, was Kindern in Spielumgebungen begegnen kann, transparenter werden, lautete eine Forderung aus der Session.

 

Das Kinderrecht auf Datenschutz und Privatsphäre stand am Mittwochvormittag im Mittelpunkt eines vom Deutschen Kinderhilfswerk in Zusammenarbeit mit Media Monitoring Africa organisierten Workshops (WS 170). Dabei wurde der Anspruch geltend gemacht, die Rechte von Kindern grundsätzlich in allen Fragen der Internet Governance zu berücksichtigen. Zugleich müssten Kinder über ihre Rechte informiert sein und deren Verwirklichung selbst aktiv einfordern. Die Vermittlung von Medienkompetenz in den Schulen und verantwortliches Handeln der Plattformanbieter wurden als wesentliche Bausteine genannt.

 

Vier Veranstaltungen an einem Tag

 

Am Donnerstag war das Thema mit vier Workshops von 9.30 bis 18.10 Uhr kontinuierlich auf der Agenda. Den Auftakt machte eine Session, in der es um Maßnahmen gegen Hassrede ging (WS 150). Auch hier wurde Regulierung - wie zum Beispiel das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz - als wichtiges Instrument neben Medienkompetenz für Kinder und Erwachsene genannt. Plattformanbieter sollten ihre Maßnahmen gegen Hate Speech mit ihren Nutzer*innen weiterentwickeln, Parlamentarier sich weltweit über gesetzliche Rahmenbedingungen in ihren Ländern austauschen.

 

Direkt im Anschluss wurden die Ergebnisse der Global Kids Online Studien vorgestellt (WS 137). Ergebnisse aus weltweit auf der gleichen Methodologie beruhenden Erhebungen seien eine wichtige Voraussetzung um Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zu entwickeln und die Implementierung bei global agierenden Plattformanbietern zu bewirken, so die Sprecher*innen.

 

Cyberbullying bzw. Cybermobbing stand im Mittelpunkt einer von UNICEF China und der chinesischen Vereinigung der Internet Society organisierten Session (WS 95). Hier wurde ein vor allem aus der zunehmenden Interaktion und Kommunikation von Kindern und Jugendlichen im Netz resultierendes Phänomen behandelt. Aufgrund der Persistenz von Internetinhalten und der zunehmenden mobilen und damit im Bereich der persönlichen Privatsphäre von Kindern stattfindenden Internetnutzung, kann Cybermobbing erhebliche Konsequenzen für die Persönlichkeitsentwicklung haben. Allerdings ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die derartige negative Erfahrungen machen, nach wie vor gering und liegt nach den derzeitigen wissenschaftlichen Studien im Bereich von unter 10 Prozent. Die Förderung der Medienkompetenz und moderierte Kommunikationsräume können maßgeblich zur Reduzierung des Risikos beitragen. Aus kinderrechtlicher Sicht sind ausgewogene Maßnahmen erforderlich, welche die Freiheitsrechte von Kindern nicht einschränken. Die Überwachung von Kindern und Jugendlichen dürfe nicht als adäquates Mittel angesehen werden, so die einhellige Forderung im Workshop.

 

Mit der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen und der Befähigung zum Selbstschutz befasste sich ein weiterer vom DKHW organisierter Workshop (WS 23). Hier wurde angeregt, bei der Gestaltung von Angeboten und Diensten die Rechte von Kindern zu berücksichtigen. Aber auch die Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Akteure wurde als wichtig erachtet, um eine Lobby für Kinderrechte zu schaffen. Man dürfe nicht darauf warten, dass Politik und Wirtschaft bei diesem Thema vorangingen, vielmehr müssten Kinder und Jugendliche selbst aktiv werden und die Verwirklichung ihrer Rechte fordern.

 

Menschenrechte im Fokus

 

Angesichts der Bedrohung einer Fragmentierung des Internets und nach wie vor erheblichen Unterschieden im Hinblick auf Zugangs- und Nutzungsmöglichkeiten ist es nicht verwunderlich, dass die Menschenrechte im Fokus vieler Debatten des IGF standen - nicht nur in den Sessions, in denen es um Kinder und Jugendliche und deren Rechte ging.

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer Eröffnungsrede die Bedeutung eines freien und offenen Internets hervorgehoben und zugleich darauf hingewiesen, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung nur soweit gehen darf, wie es nicht die Sicherheit anderer - insbesondere die von Kindern - gefährdet. Dieser Denkanstoß ist offensichtlich auf fruchtbaren Boden gefallen, er findet sich in vielen Berichten aus den Sessions des IGF 2019 wieder.