Interview | Im Gespräch mit Medienpädagogin Tina Jankulovski über Hybrid-Workshops im Projekt „Kultur trifft Digital“

Dass das Projekt „Kultur trifft Digital“ auch in Zeiten von Corona funktionieren kann, zeigt dieses Interview mit Medienpädagogin Tina Jankulovski. Sie hat in Dortmund im August und Oktober 2020 zwei Hybrid-Workshops mit unterschiedlichen Altersgruppen durchgeführt, bei denen Teile des Projekts in den digitalen Raum verlagert wurden. Im Gespräch berichtet sie von ihren Erfahrungen, lessons learned und warum es sich lohnt, gerade in diesen Zeiten Projekte für Kinder und Jugendliche anzubieten.

 

*BILDPLATZHALTERRECHTS*

 

Du hast in Dortmund die ersten Versuche mit Hybrid-Formaten gemacht - wie ist das abgelaufen und welche Themen wurden behandelt?

 

Es ging um Greenscreen und Trickfilm. Der erste Workshop fand im Rahmen des Sommerfests der Einrichtung statt. Wir haben überlegt, wie wir dieses Fest, das sonst jährlich von über 100 Kindern besucht wird und jetzt auf 20 Personen beschränkt wurde, in den digitalen Raum erweitern könnten. Die Bündnispartner hatten die Idee, ältere Jugendliche als Tutor*innen einzusetzen, die jüngere Kinder digital oder per Telefon dazu holen. Die Tutor*innen haben vor Ort Wasserspiele mit Wasserpistolen angeleitet, sich dabei gefilmt und diese Filme auf eine gemeinsame Plattform hochgeladen. So konnten die Kinder zuhause die Spiele nachspielen, sich dabei ebenfalls filmen und ihre Filme hochladen. Die Idee war, dass auf der Plattform dann viele verschiedene Videos von Kindern zu sehen sind, die dasselbe Spiel an unterschiedlichen Orten gespielt haben.

 

Wie sah die Vorbereitung aus?

 

Das ging vor allem über die Einrichtungen. Da bedarf es sehr guter und proaktiver Vorbereitung seitens der Bündnispartner. Es ging darum, die Kinder und vor allem die Eltern im Vorfeld darüber zu informieren, dass sie an diesem Tag, zu dieser Zeit teilnehmen müssen, eine Wasserpistole und ein Smartphone benötigen, dass die App heruntergeladen werden muss und jemand filmen muss - diese Vorbereitung war nötig, aber die Erreichbarkeit nicht ganz einfach.

Ganz wichtig bei der Vorüberlegung ist auch die Frage, was die Familien für die Teilnahme benötigen. Die Materialien müssen alle im Haushalt vorhanden sein.

 

Und die Videos wurden dann mithilfe der App Flipgrid hochgeladen und später veröffentlicht?

 

Genau, Flipgrid ist ein sehr gutes Tool wie ich finde. Es ist sehr leicht bedienbar, das ist ein wichtiger Punkt. Die Kinder brauchen Tools, die technisch einfach zu handhaben sind. Wenn das nicht gleich funktioniert oder unverständlich ist, kommt schnell Frust auf und dann vergeht die Lust, mitzumachen. Wir haben die Filme nur auf unserer internen Plattform gesammelt und aus Datenschutzgründen nicht veröffentlicht - dafür bräuchte man im Vorfeld die Zustimmung der Eltern. Das müsste gut vorbereitet werden. Es gibt aber wunderbare Möglichkeiten, wie man das Problem umgehen kann: Die Tutor*innen haben auf dem Sommerfest Interviews mit Kindern und Betreuern geführt. Mithilfe der Greenscreen-Technik wurden dann die Gesichter ausgeschnitten und mit einem Mops oder Wellensittich ersetzt.

 

Der zweite Workshop fand im Herbst mit älteren Jugendlichen statt. Wie lief dieser ab?

 

Das waren acht Jugendliche, die sich in Anlehnung an Berlin Tag und Nacht ihre eigene Serie gewünscht haben, die sie selbst produzieren. Das war ein tolles Experiment und hat als Hybrid-Workshop sehr gut funktioniert. Ich habe erst eine Einführung in die Technik gegeben. Dafür habe ich die Plattform Padlet genutzt, auf die alle Teilnehmenden immer Zugriff hatten. Padlet haben wir auch als Storyboard genutzt, um die verschiedenen Szenen zu entwickeln. Dann konnten die Jugendlichen losziehen und ihre Szenen von überall filmen und anschließend auf Flipgrid hochladen. Das hat für Faszination gesorgt, zu sehen, wer welche Szene an welchem Ort gedreht hat - sei es zuhause, im Supermarkt oder auf dem Friedhof. Hier ist natürlich medienpädagogische Begleitung nötig: Die Jugendlichen müssen sich gut überlegen, wie viel sie von sich preisgeben wollen. Wollt ihr wirklich bei euch im Kinderzimmer filmen oder nicht doch lieber draußen?

Der Jugendleiter hat über eine Chat-Gruppe mit den Jugendlichen kommuniziert und Hilfestellung gegeben, während sie unterwegs waren. Er betreut das Projekt auch weiterhin. Die erste 20-minütige Folge ist fast fertig, es fehlen nur noch zwei Szenen, total cool. Berlin Tag und Nacht wird ja auch mit Laiendarstellern gedreht, im Reportage-Stil mit Wackelkamera und Interviews zum Publikum. Und wenn man die Szenen zusammengeschnitten sieht, sieht das richtig toll aus. Das wirkt glaubwürdig und ist dem Original gar nicht so unähnlich.

 

Wäre es auch möglich, so ein Hybrid-Format mit einer größeren Gruppe durchzuführen, bei der ein Teil nie vor Ort ist, sondern nur digital teilnimmt?

 

Das kann auf alle Fälle gehen, aber da bedarf es einer engen Zusammenarbeit mit den lokalen Bündnispartnern. Sie kennen ihre Teilnehmenden am besten. Es bedarf einer altersgerechten Erklärung und einem einfachen, niedrigschwelligen Zugang, sonst sind die Teilnehmer*innen schnell überfordert. Und man muss es technisch einfach und kleinschrittig halten.

Es ist auch sinnvoll, einen eigenen Kommunikationskanal zu implementieren. Bei jüngeren Kindern ist das Telefon besser geeignet, bei Älteren geht das gut über Nachrichten oder Videokonferenztools.

 

Wie schafft man es, die Teilnehmenden aus der Ferne zu motivieren? Wo liegt das Potential im Hybrid-Format?

 

Indem man ihnen bewusst macht, dass die anderen Jugendlichen davon abhängig sind. Dass z.B. das Schnittteam nicht weitermachen kann, wenn eine Szene fehlt. Das Hybrid-Format hat auch die Projektzeiten entzerrt. Man hat nur einen kleinen Teil in der Einrichtung zusammen gemacht und den Rest flexibel von zuhause oder unterwegs - das war für die Jugendlichen befreiend. Und je weiter das Projekt vorangeschritten ist und je mehr die Folge Gestalt annahm, desto motivierter waren sie.

Was sich beim ersten Workshop gezeigt hat: Wenn man das Projekt als Challenge gestaltet, motiviert das ungemein. Challenges kennen die Kinder aus den sozialen Netzwerken. Und da geht es letztlich nicht um einen Wettbewerb, wer besser oder schlechter ist, sondern darum, dass alle etwas gemeinsam machen. Jeder macht an irgendeinem Ort das Gleiche, ein Video oder ein Spiel - das verbindet total.

 

Wie war das Feedback der Teilnehmenden?

 

Die Kinder, die am ersten Workshop teilgenommen haben, hatten richtig Spaß. Sie waren sehr davon fasziniert, auf der Plattform zu entdecken, dass andere Kinder dasselbe Spiel woanders gespielt haben - das hat viel Potential. Auch die Tutor*innen waren sehr inspiriert und motiviert. Wenn etwas mal nicht sofort geklappt hat, war das gar nicht schlimm, sondern wichtige Erfahrungswerte. Niemand war sauer oder enttäuscht, sondern man hat dann gesagt, wenn es so nicht funktioniert, dann müssen wir es eben anders machen.

Die Jugendlichen beim zweiten Workshop waren sowieso sehr motiviert, denn die Serie war ja ihre eigene Idee.

 

Hast du das Gefühl, dass in Zeiten von Corona und Kontaktbeschränkungen das Bedürfnis der Kinder nach solchen Projekten stärker ist?

 

Auf alle Fälle. In der Gruppe zu agieren, ob jetzt digital oder analog, zusammen etwas zu gestalten und miteinander etwas zu auf die Beine zu stellen - ja, das erlebe ich die ganze Zeit. Das einfach mal auszuprobieren ist total wichtig. Die Kinder und Jugendlichen sind froh, die greifen nach diesen Möglichkeiten.

 

Dann ist es folglich wichtig, sich von Infektionsschutzmaßnahmen nicht einschüchtern zu lassen und gerade in diesen Zeiten Angebote für Kinder und Jugendliche zu schaffen. Welchen Rat würdest du den Einrichtungen geben?

 

Mein Rat wäre, angstfreier zu sein und fehlerfreundlich zu bleiben. Sich frei zu machen von Blockaden und zu sagen, wir wissen zwar nicht, was dabei rauskommt, aber wir versuchen es jetzt einfach. In den Prozess zu gehen ohne Perfektionshaltung ist wichtig. Fehlerfreundlich bleiben und das, was man erfahren hat, beim nächsten Mal anders machen.

Deshalb ist das Format von „Kultur trifft Digital“ so gut: Im Orientierungsparcours überlegt man, was man im ersten Workshop umsetzen will und kann die Dinge dann beim zweiten Workshop nochmal anders machen. Wichtig ist, sich einfach darauf einzulassen - die Kinder lassen sich darauf ein, die finden es gut und sind fehlerfreundlich, das habe ich so erlebt.

 

 

--

Tina Jankulovski begleitet das Projekt „Kultur trifft Digital“ bereits seit 2018, also von Anfang an. Sie ist als Kulturpädagogin (Schwerpunkt Medien und Kulturelle Bildung) tätig und führt besonders gerne Projekte mit dem Schwerpunkt Film und kreative Darstellung durch. Ihr ist es wichtig, digitale Medien spielerisch und erfinderisch einzusetzen, damit allen Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben wird, eigene Ideen umzusetzen.