Wenn ich groß bin, werde ich ...

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  • Jutta Croll

Am 13. Februar, dem Safer Internet Day 2020, beteiligen sich weltweit Akteure aus mehr als 150 Ländern an der Umsetzung von Maßnahmen zum Schwerpunktthema "Together for a better internet". #checkwemdufolgst ist das Motto, das die Initiative klicksafe.de als deutscher Koordinator für den SID 2020 gesetzt hat. Dabei geht es vor allem um die Rolle von Influencer*innen in sozialen Medien und den bewussten Umgang damit. Influencer*innen sind Personen, die mit ihren persönlichen Profilen Social-Media-Kanäle bespielen. Durch ihre starke Präsenz, ihr hohes Ansehen und ihre Reichweite in sozialen Netzwerken sind sie in der Lage, die Meinung anderer zu beeinflussen.

 

Aus kinderrechtlicher Sicht sind hier verschiedene Aspekte relevant: Einerseits sind die Rechte von Kindern als Publikum oder Follower von Influencer*innen und andererseits die Rechte von Kindern, die selbst als Influencer*innen agieren, zu betrachten.

 

Durch die Vielzahl von unterschiedlichen Formaten ist es selbst für Erwachsene oft schwer zu erkennen, ob es sich bei den auf den Kanälen der Influencer*innen verbreiteten Inhalten um reine Selbstdarstellung, bewusste Einflussnahme auf die Haltung und Meinung der Rezipient*innen oder um kommerzielle Produktplatzierung handelt. Kindern, die über geringere Erfahrungen mit der Unterscheidung von redaktionellen Inhalten und Werbung verfügen, fehlt hier häufig der Kompass. Ihr Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit, sich Informationen zu beschaffen (Art. 13 UN-KRK), kann durch „verdeckte“ Botschaften in den von Influencer*innen verbreiteten Inhalten berührt werden. Zugleich können Werbebotschaften, wenn sie subtile Kaufanreize setzen oder gar aggressiv kindliche Bedürfnisse ansprechen, das Recht des Kindes auf Schutz vor kommerzieller Ausbeutung (Art. 32) verletzen.

 

Kinder und Jugendliche treten heute aber vermehrt auch selbst als Influencer*innen in sozialen Medien auf. „Meistens sind die jungen Internetstars in Videos oder auf Bildern zu sehen, wie sie Spielzeug und andere Produkte testen und bewerten, Kleidung anprobieren, Schmink- und Stylingtipps oder persönliche Empfehlungen und Meinungen geben.“, schreiben Bettina Goerdeler und Anna Grebe vom Initiativbüro „Gutes Aufwachsen mit Medien“ in einem Artikel in der Zeitschrift „Frühe Kindheit der Dt. Liga für das Kind“, 2/2019, S. 42 - 49. Das macht die Kanäle der Minderjährigen attraktiv als Werbeträger für Unternehmen, teilweise werden sie zu einer lukrativen Einnahmequelle für die Familien. Goerdeler und Grebe weisen darauf hin, dass Kinder, die in dieser Weise als Influencer*innen agieren, ihre Selbstbestimmtheit verlieren können und dass ihre sozialen Interaktionen zunehmend kommerzialisiert werden. Auch hier stellt sich die Frage, ob der Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung gemäß Artikel 32 noch gegeben ist, insbesondere da die für die Werbewirtschaft geltenden Regelungen zum Schutz von Kindern bei der privaten Produktion von Online-Content bisher nicht greifen.

 

Die teils tiefen Einblicke, die Kinderinfluencer*innen in ihren Lebensalltag durch die Veröffentlichung von Fotos und Videos im Internet geben, bergen die Gefahr der Verletzung ihrer Privatsphäre (Art. 16). Die Minderjährigen sind meist noch zu jung, um selbst abschätzen zu können, welche Folgen diese Form der Selbstdarstellung für ihr weiteres Leben haben kann. Sie sind zudem potenziell der Kontaktaufnahme durch Personen aus dem Kreis ihres Publikums ausgesetzt, ohne deren wahre Identität zu kennen. Dabei besteht auch das Risiko der Verletzung des Rechts auf Schutz vor sexuellem Missbrauch (Art. 34).

 

Nicht zuletzt kommt es auch durch die Kinderinfluencer*innen selbst in einigen Fällen zur Missachtung von Persönlichkeitsrechten anderer Kinder, wenn diese zum Beispiel ungefragt in den geposteten Inhalten zu sehen oder zu hören sind.

 

Influencer*innen sind die Heldinnen und Helden der Kinder von heute: Eine Internetsuche mit dem Begriff „Berufswunsch Influencer“ liefert mehr als 10.000 Ergebnisse, und das Online-Magazin „ZEITjUNG“ titelt „Wenn ich groß bin, werd‘ ich Influencer!“. Damit Kindheit auch im Zuge der digitalen Transformation unserer Gesellschaft ein unbeschwerter Lebensabschnitt bleibt, müssen die Rahmenbedingungen neu ausgehandelt und gestaltet werden. Für ein gutes Aufwachsen in der digitalisierten Welt brauchen Kinder Orientierung und Unterstützung. Sie brauchen Kenntnis von ihren eigenen Rechten sowie Regeln, die sie verstehen und nach denen sie selbst handeln können; dazu gehört zum Beispiel, Bilder von anderen nur mit deren Zustimmung ins Netz zu stellen. Neben dem pädagogischen Handeln, braucht es aber auch einen gesetzlichen Rahmen, der neue Formen der Kommerzialisierung von Kindheit berücksichtigt und die Achtung der Rechte von Kindern gewährleistet. So können wir das Schwerpunktthema des SID 2020 „Gemeinsam für ein besseres Internet“ umsetzen.